Raum – The Event of Your Leaving

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Während Liz Harris unter ihrem Moniker Grouper im letzten Jahr mit The Man Who Died In His Boat ein eher nacktes songorientiertes Album herausgebracht hatte, bei dem die atmosphärischen Drones und ausgewaschenen Soundüberlagerungen, die sonst ihre Musik charakterisierten, stark zurückgenommen waren, zeigten zwei andere Projekte ihre Seite als Ambient-Musikerin und kunstvolle Klangarchitektin. Zum einen war da das Projekt Slow Walkers mit Lawrence English, auf denen die beiden dunkle, bedrohliche Drones aufbauten, die gut als Untermalung von Merhiges Film Begotten Verwendung hätten finden können. Karg und leer scheinen diese Klanglandschaften, als bliesen scharfe Winde darüber ohne auf nennenswerte Widerstände zu stoßen, wie eine Field Recording aus der Zukunft, aufgenommen nach der Apokalypse, in der nur Horden von langsam umherwankenden Zombies die Landschaften bevölkern, Slow Walkers in einer ungastlichen Welt. Nur selten scheinen beruhigendere Ambientklänge auf und dennoch entfaltet die Musik eine soghafte meditative Stimmung. Düster und statisch lastend und manchmal bedrohlich intensiv. Mir ist Slow Walkers dann vielleicht doch zu einseitig über weite Strecken, zu berechenbar in seiner Dunkelheit.

Raum, das Projekt mit Jefre Cantu-Ledesma, klingt deutlich lichter. Inspiriert wurde die Musik von den Werken der lettischen Künstlerin Vija Celmins. Man kann sich vorstellen, dass sich diese Bilder für die beiden Musiker fast seelenverwandt anfühlten, diese vielen Abschattierungen des Grau, dieses akribische Arbeiten an den kleinen Nuancen, mit denen Vija Celmins Fotos von Spinnennetzen, einen Ausschnitt des Ozeans oder des Sternenhimmels auf ihre Leinwand überträgt und zugleich in etwas vollendet kunstvolles und faszinierendes verwandelt. Die Musik auf The Event of Your Leaving, entstanden zwischen 2011 und 2012, ist dominiert von Liz Harris‘ zu sphärischen Chören arrangiertem Gesang, überlagert von übersteuerten Geräuschwällen, als lagere sich über diesen elysischen Klängen ein bleierner Staub ab, als höre man sie nur durch einen Filter, der die Reinheit verzerrt und doch zugleich bereichert um vielschichtige Noise-Texturen. Das 13-minütige „In Stellar Orbit“ arbeitet sich über die Chöre hin zu einer einsamen Keyboardfigur, die gerade wegen der Übersteuerung und verwaschenden Verzerrtheit noch viel gleißender zu leuchten scheint, wie im Sonnenlicht funkelnd. „Blood Moon“ legt über die Harris-Chöre einen mächtigen übersteuerten Gitarrenstrom, wie ein Meteorit, der beim Eintritt in die Atmosphäre sich im Stadium des Verglühens befindet, mächtige Noisewände über dem Singen des Äthers, die sich zum Ende des Stückes in hohes weißes Rauschen auflösen wie letzte Staubpartikel im Wehen des Windes. Das kurze Titelstück dann wird getragen von einer repetitiven Pianofigur, über der ruhig ein raunender Sirenengesang liegt, friedvoll und getragen. „In Held Company“ knüpft da an, spielt aber noch mehr in Ambient-Territorium, fließend und meditativ werden die Texturen, bis zur Mitte des Stückes Liz Harris‘ Stimme ganz allein steht in einem Moment von absoluter Schönheit. „Blood Loss“ lässt das Album ausklingen mit einem unter dem Gesang sich langsam intensivierenden tieffrequenten Drone, der sich bedrohlich in der Lautstärke steigert, ohne die Stimmen jedoch gänzlich zu überlagern, nur eine Atmosphäre der Anspannung schafft, das Massive sich gegen das Fragile reiben läßt, wie ein Rauschen des Blutes in den Ohren, das am Ende allein von allen Klängen zurückbleibt.

The Event of Your Leaving ist für mich das faszinierendere der beiden experimentellen Ambientalben von Liz Harris, reich an Texturen und Abschattierungen, sehr konzentriert im Umgang mit dem Material, das es verwendet. Ein intensives Hörerlebnis.

Höreindrücke auf Soundcloud.

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