The White Meadows – A Time For Drunken Horses

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Eigentlich war ich auf der Suche nach einem europäischen Anbieter des Cutleri- Debüts „We sink ships“, als ich auf das famose Kleinstlabel Reverb Worship stieß, das einige Exemplare anzubieten hatte. Roger Linney vertreibt auf seiner Seite allerdings insbesondere mehr oder weniger obskure Folkvarianten in Mini-Auflagen, auf CD und Kassette.

Das etwas rätselhafte, winterliche Cover von „A Time For Drunken Horses“, halb in Auflösung begriffen, hat es mir gleich angetan. Ein Blick auf die Beschreibung durch das Label machte mich dann endgültig neugierig und ließ mich die CD bestellen. Von einem Paar aus London war dort die Rede, Peter Taylor und Maria Thompson, die mit The White Meadows ihre Liebe zu Film, Filmsounds und Musik vereinen. Als Instrumente gelistet sind Tape, Field Recordings, Samples, Percussion, Folk Harp, Violin.

Das Album beginnt mit „Alma“: aus dem Weiß erhebt sich ein eleganter Drone aus geloopten, osteuropäischen Vokalsamples und einer tiefer gelegten Violine. Eine Flöte schleicht sich dazu, ruft über die Berge. Weitere gefundene Gesangsstücke werden eingearbeitet, eine Harfe erklingt, kurz, Samples schwillen an und versanden wieder, ziehen sich zurück.

„ A Time For Drunken Horses“ klingt wie eine Zeitreise durch den Äther alter Radiowellen, die noch durch die Baumwipfel riesiger, menschenleerer Wälder streifen. Eingebettet in verschiedenste Drones und Aufnahmen von Flüssen, Wind oder Vögeln bleibt kein Sample und keine musikalische Identität lange genug, um tatsächlich ein Song zu werden. Dies ist vielmehr der Sound von Erinnerungen, und von Ferne. Indische, osteuropäische, skandinavische, asiatische und europäische Samples werden ineinander verwoben, lösen sich ab, deuten ihre Kultur an und behalten doch immer auch ein großes Geheinmis für sich. Leitmotivisch erklingen in den meisten Tracks Aufnahmen von Vögeln, ihre kurzen Melodien verbinden das Anorganische und das Lebendige, das Atmosphärische mit dem Melodiösen.

Obwohl alle Tracks wie aus dem Dunst der Erinnerungen (mit all seinen Lücken) zu uns herüber geweht kommen, driftet „A Time For Drunken Horses“ doch zum Glück nie ins Gefühlige ab. Vielmehr ist das Moment der Reise, der Bewegung in Raum und in Zeit entscheidend. Die eingefügten Samples von Naturbeschreibungen sind dabei kurze Stationen der Rast, bevor es weiter geht in einen Nebel aus Drones und gesammelten Sounds.

 

Hier kann man hören und bestellen.

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9 Antworten zu The White Meadows – A Time For Drunken Horses

  1. untitledwithrain schreibt:

    Was meinst Du mit Abdriften ins Gefühlige? Nostalgiekitsch? Michael Cretu? Untermalung zur Yoga-Anleitung? Ich frage nur deshalb, weil Deine Analyse des Albums ja schon sehr emotionsbetont ist – was ich auch als positiv erachte. Und bei Drones dieser Art finde ich mich persönlich immer in ausladender Emotionsarbeit wieder, was mir ebenfalls gefällt.
    Ich habe mir jetzt nur „Alma“ angehört (weil ich bis gerade nicht kapiert habe, dass man alle Stück anhören kann) und ich bin äußerst angetan. Ein direkter Vergleich soll es nicht sein, aber mit ähnlichen Elementen spielend erinnert mich „Alma“ an „And The Words Fell Like Malting Blossom“ von den Black Flowers (DAS Stück!), nur dass sich nach dem Abebben des choralen Minimalismus eine noch weitere, einsamere Fläche öffnet. Deine beschriebene „Zeitreise durch den Äther alter Radiowellen, die noch durch die Baumwipfel riesiger, menschenleerer Wälder streifen“ finde ich als Sinnbild schön und passend. Gekauft!
    Das Cover erinnert mich übrigens stark an den von Thorsten kürzlich geschauten Film „Finnisterrae“.

  2. willow waly schreibt:

    Ja, „gefühlig“ ist bei mir, anders als z.B. „emotionsgeladen“ eindeutig negativ konnotiert. Also eine sehr eindimesionale, effektheischende Art, Musik „emotionale Tiefe“ einzuhauchen. Ein extrem wattiertes, verhalltes Piano mit lange ausklingenden Akkorden wäre da so ein klassisches Beispiel. An die Black Flowers habe ich mich bisher noch nicht erinnert gefühlt, das werde ich aber mal gegenhören. „Alma“ gefällt mir mit am besten auf der CD, „Hullamok“ zB ist auch noch sehr klasse. Ich finde es aber nicht einfach, einzelne Tracks heraus zu heben, da die Haken, Windungen und Biegungen eben nicht gleichsam mit den einzelnen Tracks verlaufen. Das macht aber auch einen großen Reiz des gesamten Albums aus. Freut mich jedenfalls, dass Dir das erstmal zusagt. Ich glaube, auf Reverb Worship gibt es viele spannende Sachen für kleines Geld, aber ich muss mich erst noch genauer einhören, „Hare And the Moon“ z.B. war trotz der tollen Kassettenoptik nicht ganz mein Fall.

  3. untitledwithrain schreibt:

    Die Black Flowers sollten auch kein generell direkter Vergleich sein, es ist wie gesagt nur der eine Track, der mich entfernt daran erinnert. Bzw. hat „Alma“ mich auf Grund ähnlicher Elemente bedingungslos in seinen Bann gezogen. Ich bin da wohl empfänglich für diese vokale Weitflächigkeit.
    Wo konnte man eigentlich die Kassette ordern? Ich habe jetzt zur CD (inkl. mp3) gegriffen.
    Schöner, prägnanter Label-Name.

  4. untitledwithrain schreibt:

    Kurz noch zur „Gefühligkeit“: Verstehe nun was Du meinst. Auch dank des Beispiels, was ich wohl ähnlich einschätzen würde. Am Hörer orientierter, mit allzu simplen Mitteln ausgestalteter Emo-Mist. Hate!
    Du sprichst hier aber auch eine generelle Schwierigkeit an: Der schmale Grat bei Solo-Piano-Alben/Stücken zwischen Kitsch und Tiefgang.

  5. willow waly schreibt:

    Ich glaube von dem Album gibt es nur CD und Digitaldatei. ich bezog mich auf ein Album von The Hare And The Moon, das ebenfalls über Reverb Worship vertrieben wird und auf Kassette erschien. Auf der Seite muss ich mich nochmal genauer umschauen. Da sieht einiges spannend aus, und diese extrem limitierten Veröffentlichungen bzw dieser DIY-Gestus haben ja auch nochmal einen besonderen Reiz.
    Ja, Solo-Piano kenne ich auch noch nicht so viel. Und generell bevorzuge ich da auch eher das nicht so getragene Spiel. Die Sachen von Monk Solo, die ich kenne, finde ich gut und auch Emahoy Tsege Mariam Guèbrou, die mir von Anja empfohlen wurde höre ich wirklich gerne. Die entzieht sich definitiv jeglichem Kitsch-Verdacht.

  6. cloudycuckooland schreibt:

    Sehr schön. 10 CDs ist allerdings mal eine streng limitierte Auflage…

  7. untitledwithrain schreibt:

    Ist mir gar nicht aufgefallen. So können wir sagen, dass wir ein Drittel der Auflage aufgekauft haben.
    „Germany loves you!“ 🙂

  8. willow waly schreibt:

    Neenee, ein bisschen größer ist die Auflage schon, auch wenn auf der bandcamp-Seite nur zehn Exemplare angegeben sind. Reverb Worship beziffert die Auflage auf 50, und mein Exemplar trägt auch die 35/50. Dennoch natürlich sehr überschaubar.

  9. The White Meadows schreibt:

    Thanks for the insightful review. Would reply in German, but I’m English so I’m inherently missing the bilingual gene 🙂 For further developments and links to videos and other projects visit: soundcloud.com/the-white-meadows.

    Thanks!

    Peter

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